Mit der Alterung der Bevölkerung wird die Zahl der an Alzheimer erkrankten Menschen in Europa bis 2050 verdoppeln. Eine Taskforce unter der Leitung der UNIGE und der HUG legt die Grundlagen für ein präventives Protokoll.
Gedächtnisverlust, Verhaltensänderungen, kognitive Defizite: Die Alzheimer-Krankheit führt zu einem dramatischen Verlust der Selbstständigkeit der Betroffenen und belastet die Gesundheitskosten erheblich. Die Vorbeugung der Alzheimer-Krankheit ist zu einer echten gesellschaftlichen Herausforderung geworden. Eine internationale Taskforce unter der Leitung der Universität Genf (UNIGE) und des Universitätsspitals Genf (HUG) hat heute Leitlinien für innovative Dienstleistungen zur Vorbeugung der Alzheimer-Krankheit aufgestellt. Diese werden demnächst integraler Bestandteil der Memory Clinics der zweiten Generation sein. Sie sind in einem Artikel in Lancet Regional Health - Europe im Detail zu finden.
Die Alzheimer-Krankheit ist mit 10 Millionen Betroffenen in Europa die am weitesten verbreitete neurodegenerative Erkrankung in der Bevölkerung. Die Alzheimer-Krankheit ist durch Gedächtnisverlust und kognitive Defizite gekennzeichnet, die durch die Anhäufung toxischer Proteine im Gehirn verursacht werden und zunehmend zu Behinderungen führen. Die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen sind beträchtlich. Weltweit belaufen sie sich auf etwa 1,5 Billionen US-Dollar pro Jahr* und in der Schweiz auf 11,8 Milliarden CHF/Jahr**.
Ein breit angelegtes Präventionsprotokoll
Obwohl das Risiko, an Alzheimer oder verwandten Formen der Krankheit zu erkranken, durch die Verbesserung des Lebensstils (körperliche Aktivität, Ernährung, Herz-Kreislauf-Prävention) gesenkt werden konnte, nimmt die Prävalenz der Krankheit aufgrund der Alterung der Bevölkerung immer weiter zu. Eine internationale Task Force aus Wissenschaftlern von achtundzwanzig Institutionen unter der Leitung der UNIGE und der HUG legt nun die Grundlagen für ein Präventionsprotokoll, das in großem Maßstab eingesetzt werden kann.
"Wir haben uns auf die Erfahrung aller Mitglieder der Task Force gestützt. Die meisten der empfohlenen Interventionen sind bereit für die Anwendung oder werden bereits angewendet. Einige befinden sich noch in der Entwicklungsphase", erklärt Giovanni Frisoni, ordentlicher Professor für klinische Neurowissenschaften an der medizinischen Fakultät der UNIGE und Leiter des Gedächtniszentrums der HUG. Professor Frisoni und die Co-Autoren des Artikels haben vier Säulen herausgearbeitet, die dieses neue Konzept im Bereich Demenz und Alzheimer tragen: Risikobewertung, Risikokommunikation, Risikoreduktion und kognitive Stärkung.
I. Bewertung von Risiken
Alle Risikofaktoren, die die Entwicklung der Alzheimer-Krankheit oder verwandter Krankheiten begünstigen, sowie ihr Bedeutungsindex wurden in einem Bewertungsraster zusammengefasst. Dazu gehören genetisch bedingte Faktoren wie APOE4 oder Lebensumstände wie Bluthochdruck, Diabetes, Alkoholkonsum, soziale Isolation, Fettleibigkeit, Hörverlust, Depressionen oder Kopfverletzungen.
II. Kommunikation von Risiken
Diese zweite Säule, welche für die Beziehung zum Patienten oder der Patientin entscheidend ist, ermöglicht es, den Risikoindex so darzustellen, wie es für die betroffene Person am besten und verständlichsten ist. Denn die Darstellung des Risikos, eine Krankheit zu entwickeln, ist komplexer als die der Diagnose der Krankheit. Eine Reihe von Empfehlungen, die auf der Persönlichkeit und dem Hintergrund des Patienten oder der Patientin basieren, ermöglicht somit die Auswahl der besten Instrumente, um die Situation angemessen darzustellen.
III. Verringerung der Risiken
Es werden auch medikamentöse und nicht-medikamentöse Maßnahmen zur Risikominderung vorgeschlagen. Sie reichen von der Verbesserung der Lebensweise über kognitives Training bis hin zur Verabreichung von Anti-Amyloid-Medikamenten, sofern diese auf dem Markt erhältlich sind. In Zukunft könnten auch Eingriffe in die Darmmikrobiota in Betracht gezogen werden.
IV. Kognitive Verstärkung
Die verschiedenen Bereiche des Gedächtnisses (subjektiv, objektiv, meta) können durch Übungen auf Papier oder Computerspiele gestärkt oder stimuliert werden. Auch transkranielle elektrische oder magnetische Stimulationen werden wichtige Instrumente sein, um Synapsen in Schlüsselregionen des Gehirns zu aktivieren und so das Gedächtnis zu verbessern.
Diese vier Säulen, die in dem Artikel in Lancet Regional Health - Europe näher erläutert werden, ermöglichen es Memory Clinics der zweiten Generation mit Personen mit intaktem Gedächtnis, welche ihre Gedächtnisleistungen erhalten oder verbessern möchten, in Kontakt zu treten. Bisher fanden diese Bevölkerungsgruppe keine diesbezügliche Unterstützung durch die Memory Clinics.
*The worlwide costs of dementia 2015 and comparisons with 2010, Alzheimer’s and Dementia, Elsevier, 2017
**Coûts des démences en Suisse, Alzheimer Suisse, 2019